22.11.2023, 23:18 Uhr

Zur Flüchtlingshilfe
Gemeinderatskolumne

Bei der Gemeinderatssitzung am vergangenen Montag wurden die Gemeinderäte und die Öffentlichkeit darüber informiert, wieviele Geflüchtete sich in Mössingen aufhalten und wie diese untergebracht sind. Aktuell sind durch die Stadt 215 Personen untergebracht, davon sind 60% ukrainische Kriegsflüchtlinge. Da wir, proportional zur Größe der Einwohnerschaft, 10% der im Landkreis Tübingen ankommenden Menschen unterbringen müssen, müssten es eigentlich noch 24 mehr sein, für die wir aber aktuell keine Wohnungen haben.

In städtischen Gebäuden leben 90 Personen, die anderen sind in Wohnungen untergebracht, welche die Stadt dafür angemietet hat. Weitere 56 Menschen beherbergt der Landkreis in unserer Stadt. Das Landratsamt sitzt der Stadt im Nacken, denn auch anderswo ist der Wohnraum knapp, und wir erwarten, in den kommenden Monaten 80 - 100 zusätzliche Flüchtlinge in der Stadt aufnehmen zu müssen.

Das Thema „Flüchtlinge“ ist zurecht eines der Kernthemen in der aktuellen öffentlichen Diskussion. Es hat mehrere Aspekte, darunter finanzielle, praktische und auch moralische. Dabei ist so offensichtlich wie bedauerlich, dass verschiedene Akteure in dieser Diskussion die ihnen wichtigen Aspekte stets vehement und mit guten Argumenten vertreten, die jeweils anderen Aspekte aber nicht gleichberechtigt sehen können.

So gebietet einerseits sowohl das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland als auch die Genfer Konvention und übrigens auch der christlich-abendländische Grundkonsens unserer Gesellschaft eine im Grunde unbegrenzte Aufnahme von Menschen in Not, und in Teilen des politischen Spektrums wurde das bis in die jüngste Zeit hinein auch genau so gesehen. Andere Teile des politischen Spektrums betonen zurecht die prinzipielle Unmöglichkeit, diesen Anspruch zu erfüllen, und drängen aus nachvollziehbaren finanziellen Gründen und wegen der personellen Engpässe oder fehlender Kapazitäten bei Wohnraum, Kinderbetreuung und Schulbildung auf eine möglichst schnelle komplette Beendigung der Aufnahme von Geflüchteten in Deutschland und eine möglichst massenhafte Rückführung bereits hier lebender Ausländer.

Dass beide Extrempositionen aus praktischen Gründen nicht umsetzbar sind, erschließt sich bei unvoreingenommener Betrachtung von selbst. Die aktuelle Lage und das, was uns erwartbar bevorsteht, zwingt uns als Kommune, aber auch jeden von uns als Mensch, zwischen beiden Extremen einen Kompromiss zu finden. Dabei gilt ganz klar: niemand muss mehr tun, als möglich ist. Aber alles, was möglich ist, müssen wir tun. Es ist nötig, dür die, die schon da sind, die Unterkünfte in der Brühlstraße und in der Höfgasse zu bauen und möglicherweise auch weitere, und deshalb ist es richtig

Es ist deshalb auch richtig, Geld für die Bewältigung der Folgen dieser ungewollten Zuwanderung auszugeben, auch, wenn wir dafür von unserem Komfort und Wohlstand etwas abgeben müssen und selbst wenn das bedeutet, dass wünschenswerte Projekte verzögert werden. Den dritten Bauabschnitt der Innenstadt schon in 2024 zu realisieren, wäre schön, aber Unterkünfte für Menschen, die sonst in Zelten oder Turnhallen leben müssten, sind allemal wichtiger. Und nicht in zusätzliche Kitaplätze, Klassenzimmer und Sprachkurse zu investieren wäre auf längere Sicht ohnehin teurer.

Aber: wenn die Prinzipien der christlichen Nächstenliebe in der Fürsorge für die, die nun mal da sind, bis zur Grenze des Erträglichen ausgereizt sind, dann ist eine wenigstens vorübergehende Begrenzung der Zuwanderung legitim. An diesem Punkt stehen wir. Um die Sozialsysteme und Verwaltungen zu stabilisieren, aber auch um die Akzeptanz für eine fortgesetzte Versorgung der Geflüchteten in der Bevölkerung aufrecht zu erhalten, müssen wir verhindern, dass der Zustrom Hilfesuchender in dieser Größenordnung weitergeht. Drum hat sich die CDU-Fraktion der Stuttgarter Erklärung angeschlossen.

Wir müssen auf Bundesebene aber auch darüber reden, dass die aktuellen Standards hinsichtlich der Wohnung, die materielle Ausstattung und auch die Zulassung multipler Rechtsmittel gegen einen negativen Bescheid im Anerkennungsverfahren zur Überforderung entscheidend beitragen. Ginge es nur um Unterkunft und Verpflegung, dann könnte ein Land wie Deutschland definitiv mehr Menschen unterbringen - wenn wir alles 150 %ig machen wollen, sind die Grenzen des Möglichen natürlich schneller erreicht.

 


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