11.10.2023, 23:12 Uhr

Zur geplanten Unterkunft in der Brühlstraße
Gemeinderatskolumne

Am vergangenen Montag hat der Gemeinderat den Bau einer Unterkunft für Obdachlose und Flüchtlinge beschlossen. Der Beschluss erfolgte mit großer Mehrheit gegen den heftigen, in der Sitzung allerdings sachlich vorgetragenen Widerstand einer Bürgerinitiative (BI), die über 1.000 Unterschriften gesammelt hatte, um das Projekt zu verhindern.

Die Argumente gegen dieses Bauprojekt bündeln sich im Wesentlichen in 3 Komplexen: Erstens Kritik an konkreten Details des Bauprojekts, wie Größe oder Lage der geplanten Gebäude. Zweitens Einwände gegen die Unterbringung von Flüchtlingen generell, festgemacht an einem Mangel an Kita- oder Grundschulplätzen oder an der Angst vor Kriminalität oder Gewalt durch dort untergebrachte Personen. Und drittens Kritik an der Arbeit von Stadtverwaltung und Gemeinderat im Vorfeld der Entscheidung, bis hin zur Frage, ob unsere Demokratie noch funktioniert, wenn Beschlüsse gegen den Willen so vieler Mitbürger gefasst werden.

Den ersten Komplex hat die Stadtverwaltung nach Vorstellung eines ersten Entwurfs durch eine substantielle Umplanung, die nachvollziehbare Einwände berücksichtigt, weitgehend entschärft. Die Lage der Gebäude wurde verändert und ihre Größe reduziert, was auch zu einer Verringerung der Maximalbelegung führen wird. Die Enge der Straße, ursprünglich ein wesentliches Gegenargument, wird beseitigt, was übrigens nicht möglich wäre, wenn das Gebäude des ehemaligen Kindergartens bestehen geblieben wäre - das war ebenfalls eine Forderung der Projektgegner gewesen war. Wer grundsätzlich die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit des Projekts einsieht, wird erkennen, dass jetzt ein guter Kompromiss gelungen ist, der wesentliche Forderungen der BI berücksichtigt, auch, wenn der BI kein formales Mitspracherecht an der Planung gegeben wurde.

Der zweite Komplex ist prinzipiell nicht durch den Verzicht auf ein Projekt wie das in der Brühlstraße zu lösen. Immer, wenn irgendwo Familien zuziehen, müssen Kitaplätze aufgestockt und die Kapazität und Einzugsgebiete von Schulen verändert werden. Das gilt für Flüchtlingsunterkünfte, Nachverdichtung der Bebauung und neue Wohngebiete gleichermaßen und ist überall im Stadtgebiet oder nirgendwo ein Argument gegen Zuzug. Und ob Flüchtlingsunterkünfte zu einem Problem für die Nachbarschaft werden, hängt auch von der Integration der Neuankömmlinge ab, und die gelingt eher, wenn es sich um eine relativ kleine Anzahl von Menschen handelt. Wohnprojekte in einer Dimension wie jetzt in der Brühlstraße geplant funktionieren jedenfalls an mehreren Orten im Stadtgebiet weitgehend unproblematisch, während in der größten Einrichtung, im Hochhaus bei der Pausa, tatsächlich gelegentlich die Polizei anrücken muss. Insofern wäre der Vorschlag der BI, die Flüchtlinge und Obdachlosen, die jetzt in der Brühlstraße unterkommen sollen, ebenfalls dort unterzubringen, kontraproduktiv und zudem vom klassischen Sankt-Florians-Prinzip geleitet.

Zum dritten Komplex muss offenbar grundsätzlich erklärt werden, wie Kommunalpolitik funktioniert. Unser Verständnis davon werden wir nächste Woche hier beschreiben.

Was definitiv den Dialog zwischen der BI und dem Gemeinderat nicht erleichtert hat, waren kaum verschleierte Unterstellungen, wir Gemeinderäte wären korrupt oder uninteressiert und würden bei diesem Projekt eigene Interessen verfolgen. Ein Gemeinderat und jeder einzelne seiner Mitglieder ist, übrigens unabhängig vom Stadtteil, in dem er wohnt, dem Wohl der ganzen Stadt verpflichtet. Und da müssen wir auch andere Aspekte in die Entscheidung einbeziehen als die Privatinteressen von Anwohnern, so berechtigt diese auch sein mögen. Deshalb war nur ein Kompromiss zwischen der Maximalforderung der Anwohner („Keine Unterkunft in der Brühlstraße!“) und den Notwendigkeiten, die die Stadt adressieren muss, möglich. Nicht möglich war den Verantwortlichen in Stadtverwaltung und Gemeinderat dagegen, vor der BI zu kapitulieren und das Projekt ersatzlos zu streichen. 10 Prozent der Flüchtlinge, die dem Landkreis zugeteilt werden, müssen wir in Mössingen unterbringen und zugleich für eigene Bürger, die ihr Obdach verlieren, Wohnraum vorhalten. Und jede Wohneinheit, die wir in der Brühlstraße nicht bauen, muss anderswo im Stadtgebiet realisiert werden.

 


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